Na, wie findet ihr diese neue Werbekampagne der spanischen Modekette Mango? Ganz nice, oder? Die Kleidung ist hübsch, die Location faszinierend und das Model eine natürliche Schönheit? Nope! Von „natürlicher“ Schönheit kann hier eher nicht die Rede sein. Das Bild ist nämlich komplett mit künstlicher Intelligenz erstellt. Richtig gelesen, dieses süße Mädel gibt‘s gar nicht. Das einzige, was in diesem Bild tatsächlich existiert, ist die Kleidung – ein Set von Mango. Den Rest hat die Modemarke einfach generieren lassen.
Und nun? Aufschrei in der Modelsphäre! Ein Skandal, der Untergang aller Models samt ihrer überbezahlten Agenten! Der Schwund wertvoller Arbeitsplätze! Sorry, mein Mitleid hält sich in Grenzen. Willkommen im 21. Jahrhundert, wo manche Jobs nicht mehr von Menschen, sondern von Maschinen übernommen werden. Wir können doch nicht Milliaren investieren, um aufwendig geniale Maschinen zu kreieren, uns dafür stolz auf die verspannte Schulter klopfen, um uns im nächsten Atemzug tierisch darüber aufzuregen?!
Seit über 15 Jahren arbeite ich jetzt in der Mode, war von dürftigen Super-Low-Budget-Produktionen für diverse Magazine bis hin zu riesigen Werbe-Shootings internationaler Marken als Produzentin und Stylistin dabei und hab eine ganz klare Meinung zu KI-basierter Erstellung von Modestrecken und Kampagnenproduktionen…
Natürlich teile ich dafür mein Insiderwissen über solche Produktionen mit Euch, seid nicht albern, aber natürlich sage ich dabei nicht, welche Firma wieviel zahlt, denn ich bin ja nicht lebensmüde. Aber so ein paar aufgerundete, geschätzte Circa-Preise wird man ja wohl mal in den Raum werfen dürfen.
Dabei könnte der Unterschied zwischen Mode- oder Beautystrecken, die für Magazine geshootet werden und die, die für die Werbung produziert werden gar nicht größer sein. Beginnen wir mal mit den Gagen bei Modestrecken für internationale Magazine:
Model: 700€ (Sind übrigens Festpreis. Das heißt, es ist den Magazinen vollkommen egal, ob sie Kendall Jenner, Heidi Klum oder einen unbekannten Newcomer aus Buxtehude shooten)
Fotograf: 900€
Stylist: 600€
Hair/Makeup: 400€
Post Production: 500€ pro Bild (!)
Licht: 300€
Studio: 1500€ (Falls draußen geshootet wird, kommt noch eine Gage für Location Scouting und die Location an sich drauf)
Model Scouting (übernimmt meistens der angestellte Produzent)
Manchmal kommen noch Kleckerbeträge für Foto-Assi, Licht-Assi, Makeup-Assi und Mode-Assi dazu.
Catering: mind. 500€
Plus Anreise und Unterkunft aller.
Da ist man am Ende bei einer zwölfseitigen Modestrecke schnell mal bei 15.000 bis 30.000 Euro.
In der Werbung sieht das Ganze noch mal anders aus. Bei manchen Gagen kann man da locker mit dem Fünf- bis Zehnfachen rechnen. Wenn das Label international und riesig und das Model ein Supermodel ist, verdienen allein die schon schnell mal bis zu 50.000€ pro Kampagne. Werden die Bilder länger gezeigt/gedruckt, verlängern sich automatisch auch die Rechte – und die Bezahlung des Models und seines Managements. Der Anteil des Model-Managements, also des jeweiligen Model-Agenten, wird übrigens intern zwischen Models und Management ausgedealt. Der Prozentsatz, den die Agentur von der Modelgage abbekommt, hängt dabei von der Bekanntheit des Managements ab. Der liegt aber meist zwischen 30 und 80% (welcome to Paris, Baby!).
So. Wenn wir uns nun also vor Augen führen, dass wir bei von Menschen produzierten Bildern bei 15.000 bis 100.000 Euro liegen – was kosten dann wohl solche Bilder, wenn sie von der KI produziert werden? Korrekt, nur den Preis der Software. Der liegt bei den zurzeit beliebtesten KI-Bildgeneratoren wie Midjourney, Dall-E oder Canvas bei 10 bis 20 Euro im Monatsabo. Gut, rechnen wir nun noch den KI-Fotoredakteuren oder IT-Spezialisten on top, der die KI brieft und befüttert, damit so ein Bild eben genau so aussieht, wie die Marke es haben möchte. Aber das ist ja auch nur ein Angestelltengehalt. Fertig. Vergleichsweise günstig, unschlagbar, ja, sagen wir‘s: vernichtend.
Und dabei mein ich gar nicht, dass es gar keine Models mehr geben wird. Natürlich werden immer wieder Supermodels gebraucht werden. Für Runways, Interviews und die Identifikation mit einer Marke (Ambassadors, you know) und auch für Werbefilme (sieht bisher mit KI eher dürftig aus). Aber wenn es um Kampagnen geht, bei denen man ohnehin zu unbekannteren Gesichtern gegriffen hätte, ist die Investition in so eine kleine aber feine Software nicht nur clever. Sie ist die Zukunft. Und die wird in dieser Branche schneller kommen als wir Modelgage sagen können. Und ich garantiere, dass in kürzester Zeit auch viele, viele weitere Labels nachziehen werden, und ihre Bilder von der KI produzieren lassen werden. Auch Stylisten, Fotografen und Co. werden dabei ersetzt. Ich würd ja gerne sagen „buuuhh, das ist komplett doof, mimimi, mein Job, mimimi“ - ist es aber nicht. Wenn wir ganz ehrlich sind, ist das Bild oben sogar ziemlich gut geworden.
Und wenn wir dieses Momentum nicht als Red Flag, sondern als Chance sehen und KI-Programme anfangen für unsere Arbeit nutzen, uns weiterzubilden, um zu erfahren, wie wir sie in unsere Jobs integrieren können, um sie schneller, besser und, ja, kosteneffizientere zu machen, würden wir damit eine Superpower aus künstlicher und unserer eigenen Intelligenz erschaffen. Denn so gut eine KI auch ist, ihr muss schließlich auch immer jemand über die Schulter schauen: Sitzt die Kleidung gut? Ist die Perspektive, das Licht, die Location perfekt? Stimmen das Make-Up und die Haare?
Wer die KI komplett verweigert, wird nicht nur im Model Biz, sondern in vielen Branchen irgendwann schlichtweg untergehen. Es ist nun mal nicht zielführend heutzutage Architektur zu studieren und dabei keine KI-Kurse zu absolvieren. Es ist auch nicht clever sich heutzutage nur noch auf Printjournalismus zu konzentrieren und dann rumzujammern, wenn es in ein paar Jahren nur noch fünf starke Magazine pro Land am Kiosk gibt. Ja, ist unbequem aus seiner Comfort Zone in eine Weiterbildung zu gehen, aber dafür absolut zukunftsweisend.
Und jetzt auch mal von der anderen Seite betrachtet: Schon mal darüber nachgedacht, dass beispielsweise für Jungdesigner genau diese KI Gold wert sein könnte? Sie können ihre Entwürfe jetzt in Bildern zeigen, für die sonst das Budget niemals gereicht hätte und damit ein Publikum erreichen, das sonst nicht da gewesen wäre…
Noch eine abschließende Frage an die Modelagenten, die sich gerade rund um die Welt über die Mango-Kampagne aufregen: Bucht ihr Eure Flüge zu den Shoots eigentlich noch brav im Reisebüro?