Fashion Game of Thrones – welcher Designer regiert jetzt welches Modehaus?
- CÉRIOUS GOOD CLUB

- 10. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Es war ein heißer Modeherbst. Und das nicht wegen der Looks, sondern wegen der Machtverschiebungen. Paris, Mailand, New York – überall neue Namen auf den Türen, neue Energien in den Ateliers, neue Egos auf dem Spielfeld. Das Fashion Game of Thrones läuft wieder – und diesmal sind die Moves so riskant wie genial. Designerwechsel, Richtungswechsel, Wertewechsel. Willkommen im neuen Machtgefüge der Mode. Eine Übersicht:
Chanel hat sich seinen Coup gesichert: Matthieu Blazy – bisher Bottega Venetas Meister der stillen Raffinesse – sitzt jetzt auf dem Thron der Rue Cambon. Und sein Debüt? Kein Tweed-Museum, sondern ein Reboot in Zeitlupe: strukturierte Eleganz trifft auf rohkantige Texturen, Camellias mit Attitüde, die 2.55 nicht mehr perfekt, sondern menschlich. Blazy lässt Chanel atmen. Endlich. Unser persönlicher Gewinner der Saison! Applaus!
Bei Dior hat Jonathan Anderson übernommen – und das gleich dreifach: Damen, Herren, Couture. Ein Mastermove, den sonst nur Mut und Überzeugung erklären. Anderson, der früher Loewe in ein intellektuelles Kunstlabor verwandelt hat, öffnet das Dior-Archiv nicht mit weißen Handschuhen, sondern mit einem Skalpell. Der ikonische Bar-Jackett? Aufgebrochen, verlängert, mit Tech-Tüll und Taschen. Es ist weniger "New Look" – mehr "Next Chapter". Seine Dior-Frau ist emotional, beweglich und selbstbewusst genug, um in der Vergangenheit zu graben und trotzdem Zukunft zu tragen. Der Anderson-Touch lässt Dior fliegen. Unserer Meinung nach genau das, was das Label gebraucht hat. Danke.
Während Anderson den Bar-Jackett auseinandernimmt, hat Loewe selbst neu besetzt: Jack McCollough und Lazaro Hernandez – das Proenza-Schouler-Duo – bringen amerikanische Präzision in die spanische Handwerkskunst. Die erste Kollektion: klar, direkt, körpernah. Loewe wird messerscharf, kantiger, urbaner. Eine bewusste Abkehr von Andersons poetischer Schwere.
Bottega Veneta spielt derweil leise, aber klug. Louise Trotter beweist, dass Zurückhaltung auch Luxus sein kann. Kein grelles Marketing, keine plakativen Gesten – stattdessen Texturen, die Geschichten erzählen, und Schnitte, die Raum lassen. Das neue Bottega ist kein Statement – es ist ein Gefühl. So wie gutes Leder, das erst nach Jahren wirklich perfekt sitzt.
Und dann kam Gucci – das Drama, das alle erwartet hatten. Demna Gvasalia zieht von Balenciaga nach Florenz. Die ironische Dunkelheit, der Zynismus, der Balenciaga geprägt hat – alles wird neu justiert. Demna will Gucci persönlicher machen: Familie, Identität, Zugehörigkeit. Kein Hype um den Hype, sondern Emotion mit Ecken. Ein Wagnis für ein Haus, das zuletzt zu laut und zu leer war. Aber wenn jemand Chaos in Kult verwandeln kann, dann er. Für uns ist Demnas Gucci wie die beste Freundin von ganz früher, die wir nach Jahren zufällig wieder treffen und es macht sofort (wieder) klick! Weiter so!
Während Demna in Italien neu ansetzt, macht bei Balenciaga sein Nachfolger Pierpaolo Piccioli das Gegenteil: Farbe, Weichheit, Licht. Der Ex-Valentino-Chef bringt Emotion zurück in ein Haus, das lange nur Kälte kannte. Seine Kollektion „The Heartbeat“ – ein leises Manifest gegen Ironie. Balenciaga trägt plötzlich wieder Herz. Ein Clash der Ästhetiken: Der Romantiker übernimmt den Zyniker. Und es funktioniert.
Alessandro Michele, der frühere Gucci-Magier, hat derweil bei Valentino sein Comeback gefeiert – und es war alles, was man erwartet hat: barock, überbordend, schön. Samt, Brokat, 70s-Poesie, aber mit Gravitas. Michele spielt wieder in seinem eigenen Film – und die Mode schaut gebannt zu.
Und während alle rotieren, gibt’s auch sie noch: die Unerschütterlichen. Prada bleibt Prada. Miuccia und Raf Simons dirigieren weiterhin mit klarem Kopf und kühler Brillanz – die intellektuelle Doppelführung funktioniert, weil sie sich gegenseitig spiegelt. Miu Miu bleibt das freche, junge Alter Ego – ein bisschen Schulmädchen, ein bisschen Rebellin. Louis Vuitton hält an Nicolas Ghesquière fest, Hermès an Nadège Vanhée-Cybulski, Saint Laurent an Anthony Vaccarello. Stabilität als Luxusgut.
2025 ist kein Jahr der Evolution – es ist ein Jahr der tektonischen Verschiebungen. Blazy gibt Chanel ein neues Gefühl, Anderson bringt Modernität zu Dior, Trotter schenkt Bottega Ruhe, Demna verpasst Gucci Identität, Piccioli macht Balenciaga wieder menschlich, Michele lässt Valentino träumen. Die Häuser sind wieder Charaktere – keine Produkte. Das Spiel hat sich geändert. Die Mode ist wieder Macht. Und endlich: wieder spannend!
Fotos Instagram: Chanel, Dior, Bottega Veneta, Loewe, Gucci, Balenciaga, Valentino, Miu Miu, Saint Laurent



